Der ehemalige Ansitz Krausegg in Kastelruth
Der Dorfplatz der Marktgemeinde Kastelruth im Südtiroler Schlerngebiet wird auf der Westseite vom ehemaligen Ansitz Krausegg begrenzt. In dem geschichtsträchtigen Gebäude ist heute das Kastelruther Rathaus untergebracht.
Der Name Kraus bzw. die Herrenfamilie von Kraus ist seit vielen Jahrhunderten eng mit der Geschichte von Kastelruth verbunden und auch heute noch präsent. So hat der Ansitz Krausegg beispielsweise dem Dorfplatz von Kastelruth seinen Namen – Krausplatz – gegeben. Zudem wurde mit der Krausentafel eine kulinarische Highlight-Veranstaltung, welche jährlich in Kastelruth im Sommer veranstaltet wird, nach der bedeutenden Familie benannt.
Die Herrenfamilie Kraus
Die Geschichte der Herrenfamilie Kraus begann bereits Mitte des 16. Jahrhundert. Im Jahr 1554 kam Michael Fodor von Sala (geb. 1520), ein ungarischer Adliger, nach Tirol und heiratete Barbara Preu von Luseneck.
Im Jahr 1556 wurde Michael Fodor von Sala Gerichtspfleger von Kastelruth und baute in der Folgezeit ein beachtliches Vermögen durch Kreditgeschäfte auf. Als Gerichtspfleger war er bis zu seinem Tod im Jahr 1588 tätig. Eine von ihm gegründete Stiftung mit einem Anfangskapital von 6.500 Gulden, welche er noch kurz vor seinem Tod initiierte, sollte bedürftigen Bürgern aus der Gegend zugutekommen. Bei der Stiftung handelte es sich um die „Armenstiftung der Kaus von Sala zu Kastelruth“. Die Zinsen, welche die Kreditgeschäfte abwarfen, wurden vor allem für die Bedürftigen von Kastelruth verwendet.
Ab dem Jahr 1563 durfte sich Michael Fodor von Salar nach einer Bestätigung des Adelsstandes fortan „Kraus Fodor von Sala“ nennen. Dieser Adelsbestätigung ging eine Wappenbesserung voraus.
Da aus der Ehe von Michael Kraus Fodor von Sala keine Kinder hervorgingen, wurden zwei Neffen als Erben ausgewählt. Diese zwei Neffen gelten als die Stammväter des Kastelruther Adelsgeschlechtes der Krausen. Einer dieser Neffen – Jakob Kraus Fodor von Sala – ließ den Ansitz „Krausegg“ errichten, welcher das heutige Rathaus von Kastelruth beherbergt. Jakob folgte Michael zur Zeit der Türkenkriege als Ungarnflüchtling in das Schlerngebiet.
Der Name Kraus geht auf den ungarischen Namen „Fodor“ zurück. Nach der ungarischen Wortbedeutung ist das Wort „Fodor“ mit „Krause“ zu übersetzen, weshalb sich Michael dann Kraus von Sala nennen konnte und damit auch den Namen des späteren Ansitzes „Krausegg“ ermöglichte.
Der Ansitz Krausegg
Den Ansitz Krausegg ließ in den Jahren von 1603 bis 1607 Jakob Kraus Foder von Sala, ein Neffe von Michael Kraus Fodor von Sala, errichten. An der Stelle, an welcher der Ansitz – wo sich das Gebäude noch heute befindet – errichtet wurde, waren zuvor mit dem Stueterhof und dem Saffranhof zwei bäuerliche Anwesen. Der damalige Neubau wurde nach seiner Fertigstellung im Jahr 1607 durch ein kaiserliches Privileg durch Kaiser Rudolf II. in den Rang eines Ansitzes erhoben und vom Besitzer „Krausegg“ getauft. Bei einem Ansitz handelt es sich um einen steuerfreien Adelssitz.
Der Ansitz Krausegg, welcher sich heute mit seiner weißen Fassade mit dem Wappen Krausegg zeigt, wurde im Laufe der Zeit mehrmals umgebaut. Die Fassade besitzt eine breite Fensterfront und verfügt in der Fensterreihe im ersten Obergeschoss über einen breiten, jedoch nur gering vorstehenden Erker.
In den 1960er Jahren wurden im Rahmen von Umbaumaßnahmen im Inneren leider größtenteils die ursprünglichen Strukturen entfernt. Auch wenn die Innenräume heute ein modernes Erscheinungsbild haben, sind leider die historischen Bauelemente (z. B. die Gewölbe) weitestgehend nicht mehr vorhanden. Dass allerdings noch im ersten Obergeschoss ein Saal mit einer Täfelung mit einer wertvollen Kassettendecke aus der Zeit Anfang des 17. Jahrhunderts erhalten ist, dürfte die Kastelruther mit Stolz erfüllen. Gleiches gilt für die „alte Ratsstube“ mit seiner schönen Renaissancetäfelung. Die noch vorhandenen Räumlichkeiten mit der prunkvollen Ausstattung zeugen noch heute von dem einstigen Wohlstand der Familie Kraus.
Der Ansitz Krausegg wurde im Jahr 1820 von Franz Krienseisen, dem damaligen Gerichtspfleger, gekauft. Dieser vererbte den Ansitz an die Familie Malfertheiner. Im Jahr 1909 verkaufte die Familie Malfertheiner schließlich den Ansitz Krausegg an die Gemeinde Kastelruth.
Die Stiftung
Die von Michael Kraus Fodor von Sala gegründete Stiftung wurde von der Adelsfamilie Kraus fortgeführt und auch mit weiteren finanziellen Mitteln aufgestockt. Erst im 20. Jahrhundert kam es zur Auflösung der Stiftung.
Das Anfangskapital von 6.500 Gulden wurde dafür verwendet, bedürftigen Personen aus Kastelruth einen günstigen Kredit zu geben. Der Gulden wurde zu 60 Kreuzer bereitgestellt, wodurch sich 1.000 Kronen als jährlicher Zinsertrag ergeben. Mit diesem Zinsertrag mussten vorrangig die Gottesdienste für die Herren von Kraus finanziert werden. Mit dem Überschuss wurde Brot und Salz gekauft und an die Armen von Kastelruth verschenkt.
Die Stiftung hatte einen eigenen Amtmann, der das Stiftungsvermögen verwaltet und auch die Jahresabrechnungen erstellt hat. Im Regelfall handelte es sich bei dem Amtmann um den Gerichtsschreiben von Kastelruth. Die Beiträge und Anleihen, welche aus dem Stiftungsfond gewährt wurden, wurden vom Pfleger und vom Pfarrer gemeinsam beschlossen.