Der Kaiserjubiläumsbrunnen am Kalvarienberg in Kastelruth
In Kastelruth, dem bekannten und beliebten Urlaubs- und Ferienort im Südtiroler Schlerngebiet, befindet sich der Kofel. Der Kofel ist eine Erhöhung, welche sich direkt beim Ortszentrum von Kastelruth befindet. Da entlang des Weges, welcher über den Kastelruther Kofel führt, die Leidensgeschichte Jesu eindrucksvoll dargestellt wird, wird der Kofel auch „Kalvarienberg“, also so wie die „echte“ Hinrichtungsstätte Jesu Christi vor den Toren Jerusalems, bezeichnet.
Am zentralen Punkt des Kastelruther Kofels befindet sich der Kaiserjubiläumsbrunnen. Dabei handelt es sich um ein Habsburgerdenkmal, welches im Jahr 1908 zum 60jährigen Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Josef I. errichtet wurde.
Hintergrund
Im Jahr 1887 wurde die von Josef Riehl geplante Straße von Waidbruck nach Kastelruth errichtet. Damit wurde der bis dahin währenden Abgeschiedenheit des Schlerngebietes ein Ende gesetzt. Kastelruth und das Schlerngebiet waren verkehrsmäßig an die Außenwelt angeschlossen. Im Zuge dessen setzte bereits Ende des 19. Jahrhunderts der Fremdenverkehr ein und Kastelruth versuchte sich als klimatischer Höhen-Kurort zu positionieren. So hatte der Gemeindearzt Dr. Luis Mayr eine Kurpension, welche ganzjährig geöffnet war. Elektro- und Hydrotherapien wurden angeboten und man hatte mit der staubfreien, vollständig reinen und ozonfreien Luft geworben, welche sogar mit der Luft der Schweizer Höhenkurorte verglichen wurde. Unterstützt wurden diese Punkte, die dem Kurort Kastelruth zugesprochen wurden, durch die idyllische Ruhe und auch durch das köstliche Trinkwasser. In einem Werbeprospekt aus dem Jahr 1906 wurde auf die im Jahr 1903 fertig gestellte Hochdruck-Wasserleitung nach Kastelruth geworben. Was die Erholung im Schlerngebiet betraf, spielte der Kastelruther Kofel eine wichtige Rolle. Dieser hatte eine gewisse religiöse Funktion, wurde aber auch als Festplatz genutzt. Zudem bot sich der Kofel als idealer Ort zur Naherholung an, an dem man noch einen Panoramablick genießen konnte.
Im Jahr 1908 kam von Herrn Paul Marmsoler, einem Spenglermeister (Mendelhaus) der Vorschlag, dass das Trinkwasser auf den Kofel geleitet werden sollte. Zuerst wurde der Vorschlag von allen, allen voran vom Kastelruther Verschönerungsverein, nicht Ernst genommen. Doch Paul Marmsoler verfolgte sein Ziel, auf den Kofel eine Trinkwasserleitung zu verlegen, hartnäckig.
Der berühmte Kastelruther Künstler und Maler Eduard Burgauner, der im Mai 1906 Obmann des Verschönerungsvereins wurde, hatte nach anfänglichen Zweifeln mit dem weiter drängenden Paul Marmsoler im Jahr 1908 die Strecke auf den Kofel, über die die Wasserleitungen verlegt werden mussten, vermessen. Und so entstand auch die Idee, den alten Pfeilerbau auf dem Kofel zu renovieren und gleichzeitig als würdiges Malzeichen für die 60-jährige Regierungszeit von Kaiser Franz Josef I. zu verbinden.
Die Entstehungsgeschichte des Kaiserjubiläumsbrunnens
Bei dem Pfeilerbau auf dem Kastelruther Kofel handelte es sich um eine Heilig-Geist-Kapelle, welche in der Mitte des Kofels stand. Vermutlich diente dieser Bau, da er nach allen vier Seiten offen war, für das Allerheiligste beim Verlesen des Evangeliums während der Prozessionen als gemauerter Baldachin. Der Bau geriet allerdings in Vergessenheit, da er nicht direkt zum Passionsprogramm des Kastelruther Kalvarienbergs gehörte. Daher wandte sich Eduard Burgauner schriftlich an die Gemeinde Kastelruth als Eigentümer des Bogenbaus und bat um Erlaubnis, die Kapelle als Brunnen umbauen zu dürfen. Durch seinen Brief konnte Eduard Burgauner die Gemeinde Kastelruth überzeugen, die schließlich das Vorhaben genehmigte und sogar das notwendige Baumaterial beisteuerte. Zusätzlich wurde der Vorschlag Burgauners, den entstehenden Brunnenbau „Kaiserjubiläumsbrunnen“ zu bezeichnen, befürwortet.
Eduard Burgauner machte sich über eine Zeitdauer von etwa eineinhalb Monaten an die Arbeit und gestaltete den Sakralbau in den Brunnen um. Hierzu wurde an der Kapellen-Nordseite eine Wand hochgezogen und der Brunnen angebracht. Der Bau wurde ausgemalt (Lünettenmalerei), wobei den Mittelpunkt die Büste von Kaiser Franz Josef I. bildete. Darüber wurde der habsburgische Doppeladler angebracht. Eine Krone – vom Bildhauer Figl gefertigt – und ein eiserner Adler – vom Schlosser Alois Karbon geschmiedet – wurden am Ädikulaaufsatz angebracht.
Dank des intensiven Einsatzes Eduard Burgauners und einiger weiterer Handwerker konnte der Brunnen am 15.08.1908, zum Kaiserjubiläumsfest, welches auf dem Kofel von Kastelruth stattfand, fertig gestellt werden. Eduard Burgauner selbst war stolz auf den von ihm errichteten Kaiserjubiläumsbrunnen. Dieser Bau zählt sicherlich zu den bedeutsamsten Denkmäler, welche zur Erinnerung an den Kaiser Franz Josef I. in Tirol geschaffen wurde.
Eduard Burgauner plante noch, auf dem rückwärtigen Bogenfeld eine Ansicht von Kastelruth abzubilden, wie das Dorf 160 Jahre vorher ausgesehen hatte. Die Dorfsilhouette wurde allerdings nicht mehr angebracht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden durch die neuen Machtinhaber die habsburgischen Details am Kaiserjubiläumsbrunnen entfernt. So wurde beispielsweise am Ädikulaaufsatz die Krone und der Adler entfernt, die Habsburger Symbole und die Tiroler Fahnen übermalt und aus der Büste von Kaiser Franz Josef I. ein Herz Jesu-Zeichen gemacht. Damit wurde aus dem Kaiserjubiläumsbrunnen ein Herz Jesu-Brunnen. Erst im Jahr 1984 wurde im Rahmen einer Restaurierung der ursprüngliche Zustand des Brunnens wieder hergestellt.
Im Jahr 2007 wurde der Kaiserjubiläumsbrunnen auf Initiative des Verschönerungsvereins erneut restauriert. Seitdem zeigt sich der Brunnen wieder in seiner vollen Pracht. Besucher und Gäste, die bei ihrem nächsten Aufenthalt in Kastelruth den Kofel besuchen, sollten daher dem Kaiserjubiläumsbrunnen eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Auch das Wasser des Brunnens kann noch heute genutzt werden.
Quelle: Kastelruther Gemeindebote Juli/August 2008